Dass
kaum ein anderes Land in Europa derart vom Inflationsschub verschont
blieb, zeigen die veröffentlichten Daten des Schweizer Bundesamts für
Statistik. So erhöhte sich der Konsumentenpreisindex im November des
vergangenen Jahres gegenüber dem Vorjahr um gerade einmal 1,5 %.
Deutsche Konsumenten mussten im gleichen Monat Preissteigerungen um 5,2 %
hinnehmen. In den USA sind es gar 6,8 % gewesen, meint Michael Oehme.
Auch Schweiz kann sich Preissteigerungen nicht entziehen
Dass
die Preissteigerungen in den genannten Ländern sowie generell noch
höher ausfallen dürften, zeigt die Verschiebung des sogenannten
Warenkorbs. So sind es in Deutschlands insbesondere die steigenden
Mietzinsen, die ins Gewicht fallen. Von dieser Entwicklung bleib die
Schweiz verschont, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen. In der
Schweiz orientieren sich Mietpreiserhöhungen maßgeblich am
Konsumentenpreisindex (der Inflationsrate). Grundsätzlich stagnieren die
Mietpreise daher in der Schweiz, gehen teilweise sogar zurück. Dabei
kann auch die Schweiz sich Marktteuerungen nicht entziehen. Weltweit
steigen die Preise – in einem gewissen Umfang auch in der Schweiz. Mit
einer Inflationsrate von 0,9 % im September und Oktober ist das jedoch
im internationalen Vergleich nahezu nichts. Allein in den Nachbarländern beträgt die Konsumteuerung zwischen 3,5 und 4 %.Massiver Einfluss durch Währungspolitik
2015
kippte die SNB die Koppelung des Schweizer Franken an den Euro. Bis
dahin gab es über Jahre einen festen Wechselkurs von 1,20 Schweizer
Franken zu einem Euro. Prompt erwartete man eine deutliche Verstärkung
des Franken beispielsweise gegenüber dem Euro. Seither nimmt die SNB
massiv Einfluss auf die Währungspolitik, denn ein starker Franken
schadet der Schweizer Wirtschaft. Allein im ersten Halbjahr 2021 erwarb
die SNB Devisen im Gegenwert von 90 Milliarden Franken. Am Rande erwähnt
sei, dass sie mit diesen Währungsgeschäften milliardenschwere Gewinne
einfuhr. Das erklärte Ziel der SNB: Den Schweizer Franken schwächen, der
so stark ist wie seit dem Frankenschock 2015 nicht mehr. Dabei kam ihr
seit Februar 2021 eine interessante Entwicklung entgegen: Denn seither
nimmt der Euro als wichtigste Handelswährung der Schweizer deutlich an
Wert zu und verringert damit gleichzeitig den Druck auf die SNB,
weiterhin massiv zu intervenieren, also Devisen zu kaufen, um den
Franken vor einer Aufwertung zu schützen.
Auswirkungen auf die Immobilienbranche
Es
liegt auf der Hand, dass die Zinspolitik der SNB, die beispielsweise
auch Negativzinsen umfasst, direkten Einfluss bei der Vergabe von
Krediten nimmt. So sind dank der niedrigen Zinsen die Hypothekarkosten
auf einem historisch günstigen Niveau, was zu einer Erhöhung der
Nachfrage und aufgrund des fehlenden Angebotes an vielen Orten zu
steigenden Preisen führt. Dabei zeigen Erhebungen, dass es günstiger
ist, eine Wohnung zu kaufen und zu finanzieren als Miete zu bezahlen.
Auf institutioneller Seite sind Mietwohnungen dennoch der nahezu einzige
Weg, wenn auch kleine, Renditen zu erzielen. Auch hier sind die
niedrigen Hypothekarkosten natürlich förderlich. Dass die SNB hier
preistreibende Gefahren sieht, wird sie nicht müde zu kommunizieren.
Gebetsmühlenartig wiederholt sie, dass sie die Gefahr einer
Immobilienpreisblase gerade im Mietwohnungsbau genau verfolge und im
Zweifel dagegenhalten würde. Das allerdings würde ihrer derzeitigen
Zinspolitik entgegenlaufen.
Niedrige Mieten verringern Inflationsrate
Bereits
erwähnt wurde, dass sich die Mietpreise in der Schweiz an der
Inflationsrate orientieren. Die geldpolitische Strategie der SNB, die
nach Preisstabilität strebt, sorgt somit gleichsam für vertretbar faire
Mietpreise, die überwiegend gezahlt werden müssen. Betrachtet man das
Durchschnittseinkommen in der Schweiz und in Deutschland und zieht die
zu bezahlenden Mieten hinzu, wird dies schnell deutlich. Wichtig ist,
dass dieser – dem Anstieg der Immobilienpreise gegenläufige Effekt –
auch Auswirkungen auf die für die Währungshüter so wichtige Größe hat:
die Inflation. Denn ein niedriger Mietzins nimmt direkt Einfluss auf das
Budget einer Durchschnittsfamilie und damit direkt auch auf den Anteil,
der der Ermittlung der Inflationsrate zugrunde liegt. Vereinfacht
ausgedrückt: Eine vergleichbar niedrige Miete drückt sich sofort
inflationshemmend auf den Konsumentenpreisindex aus. Dass dieser Effekt
in der Schweiz besonders ausgeprägt ist, zeigt eine Studie aus dem
vergangenen Jahr (On the transmission of monetary policy to the housing
market). Um ein Gefühl dafür zu bekommen: In den Jahren 2018 und 2019
stiegen die Mietpreise im Durchschnitt um 0,6 %. In 2020 und 2021 um 0,9
%. Das ist unterhalb der jeweiligen Inflationsraten und deutlich
unterhalb der Einkommenssteigerungen der entsprechenden Jahre. Die
Mieten haben also in den letzten fünf Jahren die Einkommen nicht stärker
belastet als zuvor. Einen weiteren Effekt beschreibt die Studie: Danach
trägt der Inflationsimpuls deshalb so deutlich bei der Ermittlung des
Konsumentenpreisindexes bei, da es in der Schweiz – trotz des
Immobilienbooms – einen hohen Anteil an Mietwohnungen gibt. In
Deutschland, wo die Wohneigentumsquote ähnlich niedrig ist, würde dieser
Effekt durch den hohen Anteil an Mietwohnungen im Staatsbesitz
abgeschwächt.
Michael Oehme ist Consultant bei der CapitalPR AG,
St. Gallen/Schweiz. In seine Wahlheimat Schweiz siedelte er 2011 aus –
nicht erst seitdem ist er bekennender „Fan“ der Schweiz. Oehme ist
Fachbuchautor und gefragter Referent u. a. mit seinem Vortrag: „Ist die
Schweiz ein Vorbild, von dem Europa lernen kann?“.